N. Brâdean-Ebinger

Nelu Brâdean-Ebinger

Linguist, Hochschullehrer, Dichter


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Was tun?


Es dreht sich das Mädel,

Es dreht sich der Bursch:

es drehen sich die Zeiger der Uhr.

Es blühen Vergißmeinnicht

auf ihren Gräbern

und neue Winter ziehen

ins Land.

Es dreht sich der Zeiger,

fast steht er auf zwölf:

und du, du ... ?

Was nun?

Was tun?

Rette, was noch zu retten ist!



(Im Volkskundelager, 6. August 1977 veröffentlicht in  "Budapester Resonanzen", Budapest 1987)

„Die Leistung ist des Menschen Wert,/ und niemals ist es umgekehrt". Diesen Sinnspruch des Heimatdichters Peter Jung hat sich der Abschlussjahrgang 1971 des deutschen Klassenzugs des Hatzfelder Lyzeums als Motto für sein Absolvententab­leau ausgesucht. Zu den 34 Abiturientinnen und Abiturienten dieses Jahrgangs, die aus Hatzfeld und elf weiteren Banater Ortschaften stammten, zählte auch Bradean Nelu - wie unter seinem Porträtfoto steht. Nelu Bradean-Ebinger, wie er sich heute nennt, ist ein international anerkannter Sprachwissenschaftler, Hochschullehrer in Budapest und Miskolc und einer der bekanntesten ungarndeutschen Autoren. Seit nunmehr fast vier Jahrzehnten lebt er in Ungarn, wo er eine erfolgreiche akademische und wissenschaftliche Laufbahn einschlagen konnte und - getreu dem Absolventenmotto von 1971 - beachtenswerte Leistungen erbrachte.

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Nelu Bradean-Ebinger wurde am 22. Juli 1952 in Arad geboren. Aufgewachsen ist er in Bogarosch, auf der Banater Heide, wo sich seine Vorfahren mütterlicherseits, die aus dem Oberrheinland stammenden Ebingers, bei der Ansiedlung 1769 niedergelassen hatten. Sein Name deutet auf eine weitere ethnische Wurzel hin, nämlich auf die rumänische väterlicherseits. Darüber hinaus hatte er noch eine ungarische Großmutter und eine serbische Urgroßmutter. In Bezug auf seinen Vornamen Nelu, „die rumänische Koseform von Ioan, deutsch Hansi, ungarisch Janika", schreibt Bradean-Ebinger in seinem sehr bemerkenswerten Essay Bekenntnisse eines Mitteleuropäers: „Zu Hause rief man mich mal Hansi, mal Nelu, bis dann der letztgenannte (…) zu meinem offiziellen Vornamen wurde. Seitdem steht er, dieser niedliche Kosename, (…) in allen meinen Papieren. Ich habe ihn so liebgewonnen, dass ich ihn niemals hergeben werde, trotz vieler Aufforderungen ihn zu verdeutschen oder zu magyarisieren". Nomen est omen: Bradean-Ebinger bekennt sich zu seiner gemischten ethnischen Herkunft und zur deutsch-rumänischen Zweisprachigkeit, die ihn von Kindesbeinen an begleitet hat. „… meine Muttersprache ist aber die Banater schwäbische Mundart", gesteht er. In Bogarosch besuchte er die achtjährige Grundschule mit deutscher Unterrichtssprache, 1967 erfolgte dann der Wechsel ans Hatzfelder Lyzeum, wo er 1971 das Abiturdiplom erwarb.


Nach dem Abitur nahm Bradean-Ebinger das Studium der Germanistik und Finnougristik an der Universität Bukarest auf. 1972 besuchte er die Sommeruniversität in der finnischen Stadt Lappeenranta in Südkarelien. Mit einem internationalen Stipendium kam er noch im selben Jahr nach Budapest ins renommierte Eötvös-Kolleg. „In Budapest verlor er dann sein ‚ganzes Herz' an diese alte Donaumetropole, so dass er sich 1972 (…) für immer hier niederließ. 1980 nahm er auch die ungarische Staatsbürgerschaft an (…). Er ist sozusagen der allerletzte schwäbische Einwanderer nach Ungarn, aber nicht aus dem Westen, sondern seltsamerweise aus dem Osten, ex oriente lux, wenn man so möchte", befindet der aus Siebenbürgen stammende und in Köln lebende Schriftsteller Ingmar Brantsch, ein guter Kenner und Förderer der ungarndeutschen Literatur.



An der altehrwürdigen, 1635 gegründeten Eötvös-Loránd-Universität zu Budapest (Eötvös Loránd Tudományegyetem, kurz ELTE) studierte Nelu Bradean-Ebinger  Hungarologie, Finnougristik und Allgemeine Germanistik (Skandinavistik). 1978 machte er sein Staatsexamen und zwei Jahre später promovierte er an der ELTE bei Professor Hajdu Péter zum Dr. univ. (doctor universitatis) mit einer Arbeit über die nordisch-lappischen Sprachbeziehungen. Nach einer mehrjährigen Aspirantur am Institut für Sprachwissenschaft der Ungarischen Akademie der Wissenschaften wurde ihm 1985 der wissenschaftliche Grad „Kandidat der Sprachwissenschaft" (candidatus scientiarum, Abk. CSc.) verliehen, der dem akademischen Grad eines PhD (philosophiae doctor, Doktor der Philosophie) entspricht. Seine Kandidatur-Dissertation Sprachkontakt und Zweisprachigkeit im Fennoskandinavien. Soziolinguistische Aspekte der Zweisprachigkeit im nördlichen Areal ist 1991 im Druck erschienen.


Nelu Bradean-Ebinger hat nach seinem Examen 1978 die akademische Laufbahn eingeschlagen, die in seinem Fall aufs engste mit der Budapester Corvinus-Universität (Budapesti Corvinus Egyetem, kurz BCE) verknüpft ist. Am Spracheninstitut dieser Universität durchlief er die einzelnen Stufen der akademischen Karriere, angefangen vom Hilfsassistenten und Assistenten über den Adjunkt bis hin zum Dozenten (1987). Als Universitätsdozent war er am Lehrstuhl für deutsche Sprache tätig, dem er von 1989 bis 2005 auch vorstand. Im Jahr 2000 habilitierte er sich an der Universität Pécs (Pécsi Tudományegyetem). Infolgedessen wurde ihm die Lehrbefugnis erteilt und sein Doktorgrad um den Zusatz habil. (habilitatus) erweitert. Die Habilitationsschrift Deutsch im Kontakt als Minderheits- und als Mehrheitssprache in Mitteleuropa.


Seit 1992 lehrt Nelu Bradean-Ebinger auch an der Universität Miskolc, wo er den Lehrstuhl für germanistische Linguistik gründete und bis 1998 auch leitete. Im Jahr 2002 verlieh ihm die Geisteswissenschaftliche Fakultät dieser Hochschule in Anerkennung seiner Verdienste um die Germanistik in Miskolc den Titel eines Privatdozenten (egyetemi magántanár).


Seit Anfang der 1970er Jahre schreibt Nelu Bradean-Ebinger Gedichte, Kurzprosa und Essays. Er begann schon während seiner Gymnasialjahre in Hatzfeld zu dichten und debütierte als deutschsprachiger Lyriker 1970 in der „Neuen Banater Zeitung" (Temeswar) und in der Bukarester Zeitschrift „Neue Literatur". Seine literarischen Schöpfungen sind in verschiedenen Periodika und Anthologien sowie in drei selbständigen Bänden veröffentlicht. Als erster erschien der Gedichtband Budapester Resonanzen. Lyrische Gedanken in einer Minderheitensprache (Budapest, 1986). Die beiden folgenden Bände enthalten jeweils Gedichte und Essays und sind zweisprachig: Auf der Suche nach ... Heimat / Hazakeresoben (Budapest, 1995) und Bekenntnisse eines Mitteleuropäers / Egy közép-európai ember vallomásai (Budapest, 2001). Im Jahr 1999 hat Bradean-Ebinger einen dreisprachigen, deutsch-ungarisch-slowenischen Gedichtband des Kärntner slowenischen Schriftstellers Janko Messner (geb. 1921) herausgegeben und mit einem Nachwort versehen. Er gehört dem Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) an.


Walter Tonta  (Hatzfeld)

(Artikel zur Verfügung gestellt von Nelu Brâdean-Ebinger)